Wieder zuhause angekommen
Nach unserem Urlaub bis zum 17. Januar dauerte es keinen Tag und es fühlte sich an, als ob wir San Pio nie für längere Zeit verlassen hätten. Freudig wurden wir empfangen. Nicht nur mit Sätzen wie „Long time no see“ oder „Welcome back“ wurden wir begrüßt, sondern Klara, die den Tag zuvor Geburtstag hatte, wurde auf eine ganz besondere Art und Weise Willkommen geheißen: die Preschool Lehrer zerschlugen direkt vor unserem Haus ein Ei auf ihrem Kopf - eine philippinische Geburtstagstradition, die Glück bringen soll. Spätestens nach unserem allabendlichen lakaw-lakaw (spazieren gehen durch die Village), fühlten wir uns wieder vollkommen zuhause angekommen.
Über unseren Urlaub berichten wir in einem Extra-Artikel. Unsere Erlebnisse zurück in San Pio in der zweiten Januar-Hälfte und auch, wie wir Weihnachten im Monat zuvor erlebt haben, fassen wir in diesem Report zusammen.


Weihnachten
Zu unseren Erlebnissen:
Heute wartete ein langer und lang erwarteter Tag auf uns. Schon seit September wurden die Geschäfte und Außenanlagen weihnachtlich geschmückt und unser kleiner Weihnachtsbaum trägt seit Halloween seine Kugeln – wir wurden schon ein bisschen sentimental bei dem Gedanken ihn bald abschmücken zu müssen (Ergänzung: Wir bringen es nicht über das Herz ihn wegzuräumen und haben uns schon zu sehr an seinen Anblick gewöhnt).
Durch abendliche Gottesdienste neun Tage zuvor wurden die Bewohner von San Pio Village auf Weihnachten eingestimmt. Auch die Krippe in der Kirche war schließlich aufgebaut und die letzte Adventskerze ließ darauf schließen, dass es bald soweit sein sollte. Trotz all dieser Dinge konnten wir die Weihnachtsstimmung nicht ganz teilen, da sich das Umfeld und die Atmosphäre doch sehr von Deutschland unterschied.
Für uns beide war es das erste Mal den Tag fern von zuhause ohne die eigene Familie (und bei sommerlichen Temperaturen) zu verbringen.
Uns genau vorzustellen, was uns erwarten wird, konnten wir nicht. Dass das Familienfest anders als zuhause in der gewohnten Umgebung wird, wo viele ihre alljährlichen Traditionen pflegen, war uns bewusst. Ohne jegliche Erwartungen und mit großer Spannung ließen wir den Tag auf uns zukommen.

Nun zum eigentlichen Tag:
Als Dankeschön an das gesamte Dorf für ihre tagtägliche Unterstützung und Hilfe zur Integration in die Gemeinschaft backten wir den Tag über mit der Unterstützung einiger Mädels etwas abgewandelte Lebkuchen - alle Zutaten waren leider nicht zu finden - und verzierten sie gemeinsam, um sie schließlich nach dem Gottesdienst an die Bewohner zu verteilen.




Später in der Messe kam ein Funke Weihnachtsstimmung auf. Vielleicht, weil es auch Teil der Tradition in Deutschland ist den Gottesdienst an Heiligabend in der Dunkelheit zu besuchen. Das gemeinsame Essen mit der Familie wurde durch ein Abendessen mit den Hauptverantwortlichen der Village, zu deren offiziellen Weihnachtsfeier wir eingeladen wurden, ausgetauscht. Reis an Heiligabend - das war für uns eine neue, aber keine ungewöhnliche Erfahrung. Schließlich sind wir bereits etwas Filipina im Herzen geworden.
Der Tag endete mit einem Feuerwerk, das wir von der Dachterrasse des Bürogebäudes aus anschauten. In jeder Himmelsrichtung waren die bunten Raketen zu erkennen, die für uns eher eine Silvesterstimmung verbreiteten. Die restliche Nacht verbrachten wir gemeinsam mit der Jugend und ließen diese zusammen bis in die frühen Morgenstunden ausklingen.
Auch wenn wir 11 000 km von unserer Familie in Deutschland entfernt waren, fühlten wir uns trotzdem zuhause, denn die große „San Pio Familie“ hat uns auch an diesem Abend wieder gezeigt, dass wir ein Teil von ihr sind. Es war zwar kein Weihnachten, wie wir es in Deutschland verbracht hätten, aber definitiv eins, das auf seine besondere, schöne Art und Weise lange positiv in Erinnerung bleiben wird.


Eigene Projekte
Spieleaktivität
Gleich am ersten Sonntag, den wir wieder in San Pio verbrachten, organisierten wir eine Aktivität für die Kinder auf dem Basketballplatz, wo wir verschiedene Spiele, wie Staffelläufe, Schubkarrenrennen oder Luftballontreten, spielten. Die positive Resonanz vom letzten Mal hatte uns motiviert das Projekt baldmöglichst nochmal durchzuführen. Es kamen zwar weniger Kinder als das letzte Mal - um die 20 - aber es hat allen hoffentlich wieder viel Spaß gemacht!




Beerdigung
Leider ist in unserer unmittelbaren Nachbarschaft die Mutter einer Familie gestorben. In den Philippinen ist es Tradition bis zur Beerdigung, die ca. eine Woche nach dem Tod stattfindet, Totenwache vor dem Haus zu halten. Der Leichnam wird währenddessen in einem Sarg im Haus aufbewahrt. Sowohl tagsüber, als auch die ganze Nacht über versammelten sich Menschen an den Tischen, die unter einem Zelt vor dem Haus aufgebaut waren. Es wurde Karten und Brettspiele gespielt . Man aß, trank und unterhielt sich zusammen. Auch wir verbrachten zwei Abende bis spät in die Nacht vor dem Haus und spielten mit der Jugend Karten und ein neues, herausforderndes Spiel: Dama. Die Stimmung war weniger von Trauer geprägt, sondern vielmehr mit einem gemütlichen Beisammensein mit Freunden zu vergleichen. Für uns war es dennoch etwas komisch, Unterhaltungs- und Strategiespiele zu spielen mit Blick auf den Sarg einer verstorbenen Frau.




An der Beerdigung waren die Angehörigen und Gäste überwiegend weiß gekleidet. Der Sarg, wie auch der Leichenwagen waren ebenfalls in weißer Farbe. Die Prozession zur Kirche im Zentrum von Talisay City begann unmittelbar vor dem Haus in San Pio Village. Zusammen mit den Angehörigen folgten wir dem Leichenwagen, aus dem laut ruhige Musik gespielt wurde. Es wurde eine Messe gehalten, die den sonntäglichen Messen ähnelte. Am Ende hatten die Angehörigen die Möglichkeit eine Kerze anzuzünden und sich um den aufgestellten, am Kopfende geöffneten Sarg zu versammeln. Die Kerzen wurden anschließend in den Sarg gelegt. Nach dem Gottesdienst gingen wir weiter zum Friedhof. Bevor der Sarg endgültig in der Mauer verschwand - auf den meisten öffentlichen Friedhöfen werden die Gräber nicht auf dem Boden, sondern über- bzw. nebeneinander in einer Mauer angelegt - konnten die Angehörigen noch ein letztes Mal am Sarg trauern. Ins Grab wurden Blumen hinein geworfen.
Da wir beide noch auf kaum einer Beerdigung in Deutschland waren, können wir schwer die beiden Länder miteinander vergleichen. Für uns beide schien die Stimmung an der eigentlichen Beerdigung bedrückt. Während der Totenwache wirkte es für uns hingegen mehr, als ob die Verstorbene noch einmal in der Gemeinschaft integriert und sich dadurch von ihr verabschiedet wurde.


Besuch auf Inayawan Müllhalde
Am letzten Januartag gingen wir erneut zu Inayawan Müllhalde, um für unser Videoprojekt - unsere Aufgabe ist es ein Kurzfilm über unser Häuserprojekt zu drehen - Aufnahmen zu machen. Wir vereinbarten ein Interview mit einer Bewohnerin aus San Pio Village zu führen, die zwar seit einem knappen Jahr ein Haus in San Pio Village hat, allerdings unter der Woche aufgrund ihrer Arbeit als Müllsammler immer noch direkt neben der Müllhalde wohnt. Zusammen mit ihrem Ehemann und acht Kindern teilt sie sich ein kleines, einfaches Haus bestehend aus einer Küche und zwei Schlafräumen.
I would love to have another work, but I can’t find one [Ich hätte so gerne eine andere Arbeit, aber ich finde keine]“, erzählt sie. Sie erklärt uns, dass es sich als sehr schwierig gestaltet, einen anderen Job als den des Müllsammlers zu finden. Mit 14 Jahren wurde sie schwanger, brach die Schule ab und aufgrund des fehlenden Schulabschlusses ist es für sie sehr schwer eine qualifizierte Arbeit auszuführen. Bis heute hat sie noch keine Alternative zu ihrem Beruf gefunden. Die Distanz zwischen der Müllhalde und San Pio ist zu groß, um täglich hin- und herzupendeln. Gleichzeitig wären ihre acht Kinder alleine unbeobachtet in San Pio Village, während sie den ganzen Tag auf Inayawan verbringt. Das zwingt sie unter der Woche noch in ihrem alten Haus wohnen zu bleiben.
Als uns die Küche gezeigt wurde, erzählt sie uns, dass ihr Verdienst ausreicht um drei Kilogramm Reis täglich für ihre Familie zu kaufen. Die „Beilage“, meist Fleisch, Fisch oder Gemüse, sammelt sie entweder selbst im Müll oder kauft es für einen geringen Betrag bei Leuten ein, die es selbst aus dem Müll gesammelt haben. Eine Tüte Essensreste von Jollibee, einer bekannten Fast-Food Kette, kostet umgerechnet 70ct. An besonders „erfolgreichen“ Tagen, gönnt sie sich und ihrer Familie Zucker oder Kaffee.
Obwohl die öffentliche Inayawan Müllhalde eigentlich Ende 2015 offiziell geschlossen wurde - aufgrund der giftigen Dämpfe und des Sickerwassers, das zur Verseuchung des Grundwassers führt - wurde bis vor Kurzem immer noch Müll auf der Müllhalde abgeliefert. Mittlerweile wird der Müll auf einer privaten Müllkippe, direkt neben der öffentlichen abgeliefert. Wo nun der Unterschied liegt, wissen wir nicht.




Aktivitäten in der Village
Sinulog Festival
An einem Sonntagnachmittag feierten wir das Sinulog Festival, das als großes Fest in Cebu City zelebriert wird (s.h. Bericht Impression Urlaub), auch bei uns in San Pio. Die Abende zuvor studierten wir zusammen mit einer Gruppe von Müttern, die regelmäßig an den in San Pio angebotenen Zumba-Stunden teilnehmen, einen traditionellen Tanz ein. Nicht nur wir, sondern noch sechs weitere Gruppen traten in einem Wettbewerb am Sonntag gegeneinander an. Die Abende zuvor sah man überall in der Village die einzelnen Gruppen auf den Straßen proben. Die Aufführungen aller Teilnehmer waren toll! Wir alle trugen farbenprächtige, aufwendige Kostüme. Wie auch beim großen Sinulog Festival in Cebu City nahmen die Teilnehmer zuvor noch an einer Parade teil. Unser Umzug ging einmal durch die Village.
Auch wenn wir Sinulog bereits groß in Cebu City zwei Wochen zuvor gefeiert hatten, war es schön, das Fest nochmal im kleinen Rahmen in unserer Village zu wiederholen. Besonders schön war es selbst Teil des Events zu sein. Sowohl das Einstudieren der Tänze, bei den Aufführungen zuzuschauen und auch das gemeinsame Feiern hat viel Spaß gemacht.





Akt
ivitäten in der Freizeit

Höhlen in Talisay City
Unsere philippinische Projektmentorin, gleichzeitig Preschool Lehrerin, lud uns gleich am ersten Samstag zu einem Ausflug zusammen mit den anderen Lehrerassistentinnen ein. Wir besuchten die Igotan Höhlen in Talisay City, die etwas außerhalb der Stadt in den Bergen gelegen sind. Der Weg zu den Höhlen führte über einen Fluss und einen Hügel hinauf inmitten schöner, grüner Natur. Nach einem kurzen Fußmarsch sind wir am Ziel angekommen. Mit unseren Handytaschenlampen kletterten wir später in knöcheltiefem Wasser durch die schmale, verwinkelte Höhle vorbei an Fledermäusen zu einem Wasserfall, der aus der Decke der Höhle entsprang und tief in der Höhle lag. Als wir das Licht ausschalteten, waren wir von kompletter Dunkelheit umgeben. Das Rauschen des Wasserfalls war atemberaubend!
Direkt neben der Höhle schloss sich ein zweiter, wunderschöner Wasserfall an. Wir verweilten dort, während wir Kindern beim Springen von den Felsen ins Wasser zusahen. Später liefen wir den Berg hinauf, um von einem Aussichtspunkt die Umgebung zu betrachten, weiter ins Tal, den Fluss entlang zu einem Staudamm und einer Pferdefarm.




Day Off: Museum und SM Seaside
An unseren freien Tag besichtigten wir zuerst das Museo Sugbo in Cebu City, das in einem aus Korallenstein errichtetem Gebäude untergebracht ist, das zwischen 1870 und 2004 als Cebus Provinzgefängnis diente. Es beherbergt u.a. Galerien zur spanischen und amerikanischen Kolonialzeit, den Einfluss Japans im zweiten Weltkrieg, den ehemaligen Präsidenten der Philippinen u.v.m.
Anschließend fuhren wir weiter zu SM Seaside, der größten und neuesten Mall Cebu Citys, die fast schon als Sehenswürdigkeit eingestuft werden kann. Nach dem Abendessen gingen wir zum ersten Mal auf den Philippinen ins Kino, wo wir fast die einzigen Besucher waren. Der Saal glich dem eines deutschen Kinos, nur die Werbung in Tagalog (zweite Amtssprache) und die zu Beginn gespielte Nationalhymne unterschieden sich von dem gewohnten Bild.

Day Off: Strandtag
An unserem nächsten freien Tag war Marleens 19. Geburtstag. Von ihren Erlebnissen berichtet sie hier:
Um viertel vor fünf morgens weckte mich Geburtstagsgesang mit Gitarrenmusik, der aus dem unteren Stockwerk ertönte. Klara hatte zusammen mit unserer Projektmentorin, gleichzeitig Preschool Lehrerin, als Überraschung organisiert, dass mehrere Leute aus unserer Village in unserem Haus zusammen kommen und für mich singen - das ist philippinische Tradition. Das Zimmer war mit Kerzen erleuchtet, die auf den Treppenstufen und im Raum verteilt waren. Jeder brachte etwas zu Essen mit: Kuchen, Nudeln, Toast und Pancit - das sind gebratene Glasnudeln mit Gemüse. Isst man viel davon an seinem Geburtstag, so soll man lange leben. Auch mir wurden gleich morgens drei Eier auf dem Kopf zerschlagen - eine philippinische Tradition, die Glück für das nächste Lebensjahr bringen soll. Der Gesang, wie auch die netten Worte anschließend waren rührend! Die Überraschung ist definitiv gelungen!
Anschließend sind wir bei Sonnenaufgang im Meer schwimmen gewesen - herrlich! Später fuhren wir in ein tolles Strandhotel auf Mactan Island, um die Seele etwas baumeln zu lassen, zu entspannen und schwimmen zu gehen. Ich löste gleich meinen Gutschein ein, den ich von Klara, Lena und Evin zu meinem Geburtstag geschenkt bekommen hatte: eine Jetski-Fahrt auf dem Meer. Das hat unglaublich viel Spaß gemacht! Nach einer erholsamen Massage liesen wir den Abend in einem tollen Restaurant auf einem Hausdach mit Blick auf die Insel ausklingen.
Abschließend kann ich nur sagen, dass ich einen tollen Tag verbracht habe! Die Kälte, das Glatteis und der Schnee wurden gegen Sonne, Strand und Meer ausgetauscht. Für mich war es das erste Mal meinen Geburtstag im Warmen zu feiern. Der Tag wird mir lange in Erinnerung bleiben. Zum einen, weil ich ihn ganz anders als im deutschen Winter gestalten konnte, aber auch, weil er mit philippinischen Geburtstagstraditionen bereichert wurde.


Zwischen Freizeit und Alltag - soweit man bei unseren abwechslungsreichen, unterschiedlichen Erlebnissen überhaupt von Alltag sprechen kann - ist es auch der Austausch mit den verschiedensten Menschen, der uns persönlich bereichert und zum Nachdenken anregt. Es ist immer wieder spannend das Schicksal einzelner Personen zu erfahren und ihre Geschichten zu hören, die einen selbst demütig und dankbar werden lassen für das was man hat. Die kleinen Dinge im Leben schätzen lernen, das Positive sehen, nie die Hoffnung verlieren, das sind nur ein paar Dinge, die wir aus den inspirierenden Gesprächen mitnehmen.


Salamat ug babay,


Klara & Marleen