Die vierte Kerze auf unserem improvisierten Adventskranz aus Mangoblättern brennt bereits. Unser kleiner Weihnachtsbaum ist schon seit November aufgestellt und geschmückt. Das Haus ist mit Weihnachtskugeln dekoriert. Wir hören immer wieder Weihnachtsmusik, sei es unsere eigene oder die der Nachbarn, trinken Tee beim gemütlichen Zusammensitzen und backen hin und wieder Plätzchen. Die Häuser unserer Nachbarn sind mit vielen, blinkenden Lichterketten geschmückt, in den Malls hängt Weihnachtsdekoration, die Straßen sind weihnachtlich gestaltet. Auch wenn das alles nach einer ähnlichen Vorweihnachtszeit wie in Deutschland klingen mag, kommen wir hier doch nicht so wirklich in Weihnachtsstimmung.
Das Schlendern über den Weihnachtsmarkt, das Aufwärmen vor dem Kamin mit einem heißen Tee in der Hand nach einem Spaziergang an der frischen, kühlen Luft, der Blick auf die schneeweiße Landschaft, die eigene, bekannte Weihnachtsdekoration im Haus - irgendwie fehlt das alles doch um sich so richtig weihnachtlich zu fühlen.
Sehr gespannt sind wir, wie hier auf den Philippinen, einem sehr christlichen geprägten Land, Weihnachten gefeiert wird. Anders als die Jahre zuvor wird es - da sind wir uns sicher. Doch wie es wirklich werden wird, können wir erst sagen, wenn wir es selbst erlebt haben.
Da unmittelbar nach Weihnachten unsere dreiwöchige Reise durch die Philippinen startet, laden wir diesen Monatsbericht etwas verfrüht hoch. Wie wir Heiligabend tatsächlich erlebt haben, werden wir daher im nächsten Artikel berichten. Hier widmen wir unseren Erlebnissen und Aktivitäten vom Dezember bis kurz vor Weihnachten.

Besuch auf „Inayawan Dumpsite“
Unsere Aufgabe ist es für JPIC - unsere philippinische Partnerorganisation - einen Kurzfilm über San Pio zu drehen. Da ein Großteil der Familien aus unserem Projekt von der Müllhalde „Inayawan“ stammen, besuchten wir den Ort erneut um Videoaufnahmen zu tätigen.
Es bewegt uns immer wieder aufs Neue und regt uns zum Nachdenken an, wenn wir über die Berge von Müll klettern, vorbei an Menschen, die hauptsächlich vom Müllsammeln ihren Lebensunterhalt beziehen. Wieso bin ich in einer sicheren, behüteten Umgebung aufgewachsen, habe das Recht Bildung zu genießen oder täglich ausreichend Essen auf dem Tisch? Wer entscheidet, wer in welche Familie geboren wird? Das sind Fragen, die wir uns stellen, aber auf die wir wahrscheinlich nie eine Antwort finden werden. Was uns wichtig ist, ist sich unseren Lebensbedingungen bzw. Privilegien bewusst zu werden und für sich selbst die richtigen Konsequenzen zu ziehen.
Auf eine absurde Art und Weise war es schön während des Sonnenuntergangs auf der Spitze des Müllbergs zu stehen mit Blick auf das Meer, die Berge und die Skyline zu blicken. Betrachtet man seine nähere Umgebung fällt einem wieder auf, dass der Ort alles andere als schön ist. Wir stehen auf Bergen von Müll, den wir selbst mitproduziert haben, der von Menschen, die eine weitaus bessere, menschenwürdigere Arbeit verdient hätten, separiert wird. Und der Müllberg wächst stetig durch die immer wiederkehrenden Mülltrucks, die die scheinbar nicht mehr brauchbare Materialien abladen.




Violance Against Women (VAW)
Unsere Preschool-Lehrer nahmen uns zusammen mit fünf engagierten Müttern der Preschool zu einem Event in Mandaue City, eine Stadt angrenzend an Cebu City, mit. Im Zentrum der Veranstaltung stand das Thema „Gewalt an Frauen“ im Zusammenhang mit „Menschenhandel“. V.a. junge Mädchen werden unter falschen Vorwänden, sei es eine versprochene Gesangskarriere im Ausland oder ein fiktiver Job als Haushälterin in der Großstadt, angelockt und letztendlich zur Prostitution gezwungen. In den Philippinen ist besonders der Sextourismus einer der Motoren des Menschenhandels. Genaue Zahlen gibt es leider keine, aber es wird geschätzt, dass mindestens sechzigtausend Filipinos von diesem menschenunwürdigen Handel betroffen sind.
Weltweit ist der Menschenhandel ist der schnellste wachsende kriminelle Zweig. In Vorträgen und Filmen wurde über Risiken informiert und erklärt, wie man selbst seinen eigenen Beitrag leisten kann um Menschenhandel entgegenzuwirken.


JPIC Mitarbeitertreffen
Zweimal jährlich trifft sich die gesamte Mitarbeiterschaft von JPIC zu einem mehrtägigen Meeting. Es wird unter anderem über interne Probleme oder Verbesserungsvorschläge, die die Zusammenarbeit in der Organisation betreffen, diskutiert. Dieses Mal fand das Treffen erstmals in San Pio statt, sodass auch wir teilnehmen und die gesamte Mitarbeiterschaft kennenlernen konnten.


JPIC Weihnachtsfeier
Mitte des Monats feierten wir zusammen mit allen Mitarbeitern von JPIC eine Weihnachtsfeier. Dafür wurde ein Raum in einem Hotel mit Buffet gemietet. Der Hauptprogrammpunkt des Abends war ein Tanzwettbewerb. Jede Abteilung bzw. jedes Projekt bereitete einen fünf- bis zehnminütigen Tanz zu 70s-, 80s- und/oder 90s - Musik vor. Der gesamte Abend stand unter diesem Motto, weshalb wir alle passende Kostüme getragen wurden. Insgesamt sieben verschiedene Gruppen nahmen an dem Wettbewerb teil - wir waren eine von ihnen. Im vorherigen Monat trafen wir uns einmal wöchentlich um unseren Tanz einzustudieren. Die Arbeit und Mühen haben sich definitiv gelohnt. „We are the champions!“ - mit diesem Lied endete unsere Präsentation. Die „champions“ waren wir an diesem Abend tatsächlich. Wir haben den ersten Platz belegt. Unsere Freude war riesig!




Aktivitäten in der Preschool
Prüfungen
Kurz vor den Weihnachtsferien wurden in der Preschool Prüfungen abgehalten, um den individuellen Lernfortschritt und Entwicklung der Kinder abzufragen, der später mit den Eltern besprochen wurde. Die Kinder sollten Formen ausmalen bzw. nachfahren und die Zahlen von eins bis zehn schreiben. Dies waren Dinge, die in den Wochen zuvor bei Aktivitäten spielerisch geübt wurden.

Weihnachtsfeier
Die Weihnachtsfeier fand kurz nach den Prüfungen statt. Die Tage zuvor haben wir bei der Vorbereitungen mitgeholfen. Geschenke und Snacks wurden eingekauft und eingepackt. Jedes Kind bekam als Weihnachtsgeschenk ein Outfit - für die Mädchen ein Kleid, für die Jungen Hose und Tshirt - sowie Flip Flops und Unterhosen.
Während der Feier haben die Kinder, wie auch die Eltern, zusammen Spiele gespielt. Als große Überraschung kam ein Jollibee-Maskottchen zu Besuch. Jollibee ist die bekannteste und beliebteste Fastfood-Kette in den Philippinen. Die Kinder haben sich über den besonderen Gast sehr gefreut!




Später wurde sowohl unter den Kindern, als auch den Erwachsenen, gewichtelt. Auch wir haben mitgemacht und uns die Tage zuvor auf die Suche nach einem kleinen Weihnachtsgeschenk gemacht.

Educational Tour
Aufgrund der Taifunwarnung einige Wochen zuvor wurde die „Educational Tour“ einiger Preschools von JPIC abgesagt. Lediglich unsere und eine weitere Vorschule haben den Ausflug durchgeführt. Die der Preschool der nahegelegenen „Dumpsite Inayawan“ wurde nun nachgeholt. Wir wurden gebeten die Tour zu begleiten und diese in Fotos zu dokumentieren.


Aktivitäten in San Pio
Weihnachtsfeier
Auch von unserer Village aus wurde eine Weihnachtsfeier organisiert, die am Sonntagabend eine Woche vor Weihnachten stattfand. Jeder Block - insgesamt gibt es 17 - bereitete eine dreiminütige Präsentation vor. Hauptsächlich wurde getanzt und/oder gesungen. Wir bewerteten als eines der Jurymitglieder die Aufführungen, was uns wieder sehr viel Spaß gemacht hat! Darüber hinaus wurden Spiele gespielt, gewichtelt und gemeinsam gegessen.

Morgenmesse
Neun Tage vor Weihnachten findet jeden Morgen um 5 Uhr eine Messe statt. Es wird geglaubt, dass, wenn man jeden Tag den Gottesdienst besucht, an Weihnachten einen Wunsch äußern kann, der in Erfüllung geht. An einem Sonntagmorgen sind auch wir früh bei Dunkelheit aufgestanden um bei Sonnenaufgang die Messe zu besuchen.


Eigene Projekte
Spieleaktivität
Der November stand unter dem Stern der Kinder. Da für sie keine spezielle Aktivität geplant wurde, überlegten wir einen Spielenachmittag auf dem Basketballplatz zu organisieren. Der Ansturm war sehr groß. Über 50 Kinder kamen. Zusammen spielten wir viele verschiedene Spiele, die teilweise von Spielen unserer Kindheit inspiriert waren. Die Aktivität hat allen sichtlich viel Spaß gemacht. Aufgrund der positiven Rückmeldung wollen wir die Aktivität bald wiederholen.




Aktivitäten in der Freizeit
Verschiedenes
Der Monat war wieder voll mit tollen Aktivitäten. Eines Abends begleiteten wir die Jugend aus San Pio zum „Carol“ singen in die benachbarte Häusergemeinschaft. Wir gingen von Haus zu Haus um Weihnachtslieder zu singen und hofften im Gegenzug auf einen kleinen Geldbetrag. Die Stimmung war ausgelassen! Schallend laut haben wir gesungen, begleitet von Rasseln und Klatschen. Von dem Gewinn organisierte die Jugend einen gemeinsamen budol fight.
An einem anderen Tag gingen wir zusammen mit den Preschool Lehrern zum „Crazy Sale“. An einem bestimmten Samstag im Dezember werden in mehreren Kaufhäusern und Malls die Preise stark heruntergesetzt um Platz für die neuen Waren zu schaffen. Der Ansturm war riesig, die Geschäfte proppenvoll - ähnlich wie deutsche Kaufhäuser kurz vor Weihnachten! Wir gingen anschließend weiter zu einem Event, das in der Mitte des größten Kreisverkehrs Cebu Citys, der parkähnlich aufgebaut ist, stattfand. Bis Weihnachten finden hier abends täglich Aktivitäten bzw. Aufführungen statt. An diesem Abend gab es mehrere tolle Standardtanzaufführungen von einer Tanzschule, die auch international sehr erfolgreich ist. Nebenan schloss sich ein Barbecue-Markt an, wo wir zusammen zu Abend aßen. Die Atmosphäre inmitten der belebten Stadt zwischen den beleuchteten Hochhäusern war einzigartig.
Ob den Sonnenaufgang oder -untergang am Meer zu genießen, Strategiespiele mit der Jugend aus der Village zu spielen oder bei den Tanzproben der Tanzgruppe aus der Village zuzuschauen - auch die vielen kleinen Erlebnisse setzen tolle Highlights und lassen uns dankbar dafür sein, dass wir in Mitten des Projekts leben.

Weihnachtsfeier
Zusammen mit den Preschool Lehrern, Mia, der dänischen Freiwilligen, sowie Lena und Evin hatten wir unsere eigene, kleine Weihnachtsfeier. Zusammen gingen wir in ein kleines Schwimmbad, wo an dem Abend eine Art Poolparty stattfand. Jeder von uns brachte etwas Kleines zu Essen mit. Über dem Grill grillten wir unseren Fisch und das Fleisch, aßen selbstgebackene Plätzchen und wichtelten später untereinander, bevor wir bei lauter Musik im Wasser schwimmen und rutschen gingen.

Day Off: Taiost Tempel
An einem unserer freien Tage besuchten wir einen nachgebauten chinesischen Tempel, der etwas außerhalb der Stadt in den Bergen gelegen war. Er wurde 1972 von der chinesischen Gemeinschaft auf Cebu erbaut, die als Minderheit 1,5% der Bevölkerung ausmachen. Von hier aus hatten wir einen tollen Blick auf die Skyline Cebu Citys. In einer Künstlerbar aßen wir später zu Mittag, tranken in einem kleinen, süßen Café Kaffee und ließen den Abend auf dem Dachgarten der größten Mall Cebu Citys – einer unserer neuen Lieblingsplätze – unter dem Sternenhimmel ausklingen.

Day Off: Brunch und Bowlen
Unser nächster freier Tag war etwas westlich angehaucht. Wir trafen uns mit Mia, der dänischen Freiwilligen, zum Brunchen, gingen später gemeinsam Bowlen und saßen abends zusammen mit der Jugend aus dem Projekt, in dem Lena und Evin leben, um ein Lagerfeuer mit Stockbrot, Marshmallows und Kartoffelsalat.

Day Off: Oslob und Osmena Peak
Schnorcheln mit Walhaien in Oslob - dieses Erlebnis wird uns noch ewig in Erinnerung bleiben. Morgens um drei Uhr fuhren wir erneut in der üblichen Konstellation von Preschool Lehrern, Lena und Evin auf der Ladefläche des bekannten Kleinlasters los in den Süden Cebus. Nach drei Stunden Fahrt kamen wir am Ziel an. Mit kleinen Booten ging es raus auf das Meer um mit Walhaien, die eine Größe von bis zu 12 m erreichen können, zu schnorcheln. Der Walhai ist der größte Hai und zugleich der größte Fisch der Gegenwart. Sie ernähren sich hauptsächlich von Plankton und Fischen, die bis zur Größe von Makrelen und kleinen Thunfischen reichen und daher für den Menschen ungefährlich sind . Es war ein gigantisches, einmaliges Erlebnis die beeindruckend großen Tiere aus der unmittelbaren Nähe zu beobachten.




Weiter ging unsere Fahrt zu Osmena Peak, dem höchsten Punkt Cebus. Dorthin sind wir bereits einige Wochen zuvor gefahren, hatten allerdings großes Pech mit dem Wetter. Der Gipfel war in Wolken gehüllt und später fing es sogar an zu regnen. Wir entschieden uns daher erneut zu Osmena Peak zu fahren, da der Berg nur ein kleiner Umweg auf unser Fahrt nach Hause war. Mit dem Wetter hatten wir wesentlich größeres Glück, weniger allerdings mit unserem Kleinlaster, der kurz vor dem Ziel nicht mehr ansprang. Während unser Gefährt repariert wurde, bewältigten wir die letzten Meter zu Fuß. Der kleine Umweg und Fußmarsch hat sich definitiv gelohnt! Die Sicht auf die umliegenden Berge und das Meer war gigantisch. Am eindrucksvollsten waren jedoch die Wolken, die teilweise in rasender Geschwindigkeit auf uns zugeflogen kamen. Der starke Wind hat uns fast umgeweht.




Unsere Tage verlaufen oft anders, als geplant. Oft kommen spontane Aktivitäten oder Events hinzu, andere werden verschoben oder abgesagt. Dabei ist es von Vorteil, dass wir keinen strikten Alltagsplan haben und so einfach unsere Tage umgestalten können. Spontanität - das haben wir beide hier gelernt. Fast täglich wartet Tolles auf uns, von denen wir beim Aufwachen noch gar nicht wussten. Auf weitere spannende und spontane Aktivitäten freuen wir uns, sei es in San Pio oder in unserem Urlaub.
Wir wünschen euch ein frohes, besinnliches Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr!

Salamat ug babay,


Klara und Marleen